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Rohstoffe

Konfliktrohstoffe vs. kritische Rohstoffe: Unterschiede, Überschneidungen und regulatorische Herausforderungen

Was unterscheidet Konfliktrohstoffe von kritischen Rohstoffen? Erfahren Sie mehr über die ethischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Aspekte dieser Schlüsselressourcen.

ca. 6–7 Minuten

Konfliktrohstoffe vs. kritische Rohstoffe: Unterschiede, Überschneidungen und regulatorische Herausforderungen

Grundlegende Definitionen

Konfliktrohstoffe (engl. Conflict Minerals) sind mineralische Ressourcen, deren Abbau, Handel oder Verarbeitung bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung in Förderregionen finanzieren. Im Fokus stehen dabei:

  • Zinn (aus Kassiterit),
  • Tantal (aus Coltan),
  • Wolfram,
  • Gold (sogenannte 3TG-Minerale nach der US-Dodd-Frank-Act-Definition),
  • Niob (zunehmend im Fokus neuer Regulierungen),
  • Blutdiamanten (aus Kriegsgebieten, z. B. Sierra Leone in den 1990ern).

Kritische Rohstoffe hingegen sind Materialien, die für Schlüsseltechnologien (z. B. erneuerbare Energien, Digitalisierung, Elektromobilität) unverzichtbar sind, deren Versorgung aber aufgrund geopolitischer Abhängigkeiten, begrenzter Lagerstätten oder komplexer Förderbedingungen risikobehaftet ist. Die EU aktualisiert alle drei Jahre eine Liste kritischer Rohstoffe; aktuell (2023) umfasst sie 34 Stoffe, darunter:

  • Seltene Erden (z. B. Neodym für Windturbinen),
  • Lithium (für Batterien),
  • Kobalt (trotz Überschneidung mit Konfliktrisiken im Kongo),
  • Graphit,
  • Platingruppenmetalle.

Kernunterschiede: Worauf zielen die Begriffe ab?

Konfliktrohstoffe vs. kritische Rohstoffe / Infografik: © The Lords Of The Rocks, März 2025

Überschneidungen: Wenn kritisch auch konfliktbelastet wird

Einige Rohstoffe fallen in beide Kategorien – etwa Kobalt:

  • Kritisch: Essenziell für Lithium-Ionen-Batterien (70% der globalen Produktion stammen aus der DR Kongo).
  • Konfliktbelastet: Im Kongo arbeiten bis zu 40.000 Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen in Kleinstminen; Milizen kontrollieren Teile des Handels.
    Ähnlich gelten Seltene Erden aus Myanmar oder Zinn aus illegalen Minen Indonesiens als „hybride Risikostoffe“.

Die EU-Verordnung 2021: Ein Meilenstein mit Lücken

Seit Januar 2021 gilt die EU-Konfliktmineralien-Verordnung (EU 2017/821), die Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold verpflichtet, Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette umzusetzen:

  • Risikoanalysen: Identifizierung von Konflikt- und Hochrisikogebieten (z. B. gemäß OECD Due Diligence Guidance).
  • Audits: Unabhängige Prüfung von Schmelzen und Raffinerien – nur zertifizierte Betriebe dürfen Rohstoffe in die EU liefern.
  • Transparenz: Jährliche Berichtspflicht über Herkunft und Due-Diligence-Maßnahmen.

Kritikpunkte:

  • Begrenzter Scope: Nur 3TG + Gold, keine Erweiterung auf Kobalt, Lithium oder Seltene Erden.
  • Freiwilligkeit für Endprodukte: Die Regelung gilt nicht für Smartphones, Elektroautos etc., sondern nur für Rohstoffimporteure.
  • Umsetzungslücken: In Ländern wie Ruanda oder Uganda werden Konfliktmineralien aus dem Kongo „gewaschen“ und als „konfliktfrei“ zertifiziert.

Fallstudie: Coltan aus dem Kongo – Symbol der Paradoxien

  • Bedeutung: Tantal aus Coltan ist unverzichtbar für Kondensatoren in Smartphones und Elektroautos.
  • Konfliktmechanismen:
    • Rebellengruppen wie die M23 kontrollieren Minen, erpressen „Schutzgebühren“ und rekrutieren Kindersoldaten.
    • Bis zu 70% des kongolesischen Coltans werden illegal exportiert.
  • Lösungsansätze:
    • Initiativen wie die Conflict-Free Sourcing Initiative (CFSI) zertifizieren „saubere“ Lieferketten.
    • Unternehmen wie Fairphone setzen auf rückverfolgbares Tantal aus Pilotminen (z. B. Kalima).

Kritische Rohstoffe: Die geopolitischen Fallstricke

Während Konfliktrohstoffe ein Menschenrechtsproblem darstellen, bergen kritische Rohstoffe strategische Abhängigkeiten:

  • China dominiert 90% der Seltenen-Erden-Produktion und 60% der Graphitverarbeitung.
  • Russland kontrolliert 40% des globalen Palladiums (für Katalysatoren).
  • Handelskonflikte: Die US-Sanktionen gegen chinesische Solarunternehmen (Xinjiang-Polysilizium) zeigen, wie Rohstoffpolitik zur geopolitische Waffe wird.

EU-Strategien:

  • Recycling: Nur 1% der Seltenen Erden werden aktuell recycelt – hier sollen Projekte wie EIT RawMaterials Abhilfe schaffen.
  • Bergbau in Europa: Lithiumvorkommen in Portugal, Tiefseebergbau-Exploration im Pazifik (umstritten).

Zukunftsaussichten: Wo Ethics und Economics kollidieren

  • Dilemma der Energiewende: Der Bedarf an Lithium (bis 2030: +500%) und Kobalt könnte Konflikte in Abbaugebieten verschärfen.
  • Technologische Lösungen: Blockchain-Systeme (z. B. IBM’s Responsible Sourcing Platform) sollen Lieferketten transparenter machen.
  • Investorendruck: ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) erzwingen bei Konzernen wie Apple oder Tesla eine strengere Rohstoffpolitik.

Unsere Erkenntnisse: Konfliktrohstoffe vs. kritische Rohstoffe

Während Konfliktrohstoffe das „Blut“ in globalen Lieferketten symbolisieren, stehen kritische Rohstoffe für das „Nervensystem“ moderner Technologien. Beide Konzepte erfordern differenzierte Lösungen:

  • Für Konfliktrohstoffe: Stärkung lokaler Gemeinschaften, verbindliche Due-Diligence-Gesetze für alle Unternehmen.
  • Für kritische Rohstoffe: Diversifizierung durch Recycling, Tiefseeförderung (unter strengen Umweltauflagen) und Substitution durch alternative Materialien.

Die EU-Verordnung von 2021 ist ein Schritt in die richtige Richtung, bleibt aber ein Kompromiss zwischen Wirtschaftsinteressen und Ethik. Letztlich braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der Menschenrechte, Umweltschutz und industrielle Wettbewerbsfähigkeit vereint – eine Aufgabe, die nur durch globale Kooperation gelingen kann.

Quellen: Redaktionelle Partnerschaften / Editorial Partnerships, OECD Due Diligence Guidance, EU-Verordnung 2017/821, Berichte von Amnesty International, USGS Mineral Commodity Summaries.

Author
Leo Walotek-Scheidegger
Founder und Chefredakteur
June 5, 2025

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