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Gegenwind: Reinhold Messners Lehre vom Wachsen an Widerständen

Reinhold Messners "Gegenwind. Vom Wachsen an Widerständen" ist mehr als ein Abenteuerbuch – es ist ein philosophisches Manifest über die Kraft des Widerstands und das Wachsen an Herausforderungen. Eine Rezension, die inspiriert und zum Nachdenken anregt.

5 min read

Reinhold Messner, der legendäre Bergsteiger und Abenteurer, hat mit "Gegenwind. Vom Wachsen an Widerständen" ein Werk geschaffen, das weit mehr ist als eine Sammlung von Geschichten über extreme Herausforderungen. Es ist ein philosophisches Manifest, das die Essenz des menschlichen Strebens und die Kraft des Widerstands in den Mittelpunkt stellt. Messner, bekannt dafür, als erster Mensch alle 14 Achttausender bestiegen zu haben – darunter den Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff –, teilt in diesem Buch nicht nur seine persönlichen Erfahrungen, sondern auch tiefgreifende Einsichten darüber, wie wir an Widrigkeiten wachsen können.

Doch "Gegenwind" ist kein klassisches Abenteuerbuch. Die Berge stehen hier im Hintergrund. Der wahre Gegenwind, von dem Messner erzählt, weht nicht in den Gipfelstürmen des Himalaya, sondern in der Zivilisation. Immer wieder kehrte Messner zurück in eine Welt, die ihm oft mit Neid, Missgunst und politischer Eifersucht begegnete. Seine Gegenspieler scheinen stellenweise wie die Daruma-Puppe zu sein – sie fallen um, stehen aber immer wieder auf, bereit, ihm einen Balken vor die Füße zu werfen. Messner beschreibt, wie Menschen, die selbst nicht vorankommen, alles daran setzen, andere am Erfolg zu hindern. Sie gleichen dem Hund des Gärtners: "Sie fressen selber nicht und lassen andere nicht ran."

Messners Erzählungen über diese Konflikte sind ebenso fesselnd wie seine Bergabenteuer. Er zeigt, wie viel negative Energie manche Menschen investieren, um andere zu behindern – oft über Jahrzehnte hinweg. Bei der Lektüre stellt sich die Frage: Was treibt sie an? Ein kleinkariertes Ego? Eine abgrundtiefe Abneigung, gar Hass? Messner selbst bleibt dabei erstaunlich gelassen. Er sieht diese Widerstände nicht nur als Hindernisse, sondern auch als Chancen, um stärker und resilienter zu werden.

Ein zentrales Thema des Buches ist die Idee, dass wahres Wachstum oft genau dort beginnt, wo wir uns am meisten herausgefordert fühlen. Messner schreibt: "Der Gegenwind formt uns. Er zwingt uns, uns selbst zu hinterfragen, unsere Grenzen zu erkennen und sie zu überwinden." Diese Worte sind nicht nur für Bergsteiger relevant, sondern für jeden, der sich im Leben Herausforderungen stellt – sei es im Beruf, in der Familie oder in persönlichen Projekten.

Messners Erzählstil ist dabei so bildhaft und mitreißend, dass man das Gefühl hat, selbst in der eisigen Kälte der stürmischen Zivilisationsorkane zu stehen. Seine Geschichten sind nicht nur spannend, sondern auch lehrreich. Er zeigt, wie wichtig es ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und vor allem: niemals aufzugeben.

Besondere Highlights des Buches sind die philosophischen Passagen, in denen Messner über die Bedeutung von Scheitern und Erfolg nachdenkt. Er betont, dass Scheitern kein Ende, sondern ein Neuanfang ist – eine Botschaft, die in unserer leistungsorientierten Gesellschaft oft vergessen wird. Messner ermutigt den Leser, sich nicht von Rückschlägen oder den Mutlosen entmutigen zu lassen, sondern sie als Teil des Weges zu akzeptieren.

Reinhold Messner kann auf ein erfolgreiches Leben voller Triumphe zurückblicken. Als Erster bestieg er alle 14 Achttausender dieser Welt. Mit dem von ihm hoch verehrten Bergsteiger-Kollegen Peter Habeler erklomm er 1978 ohne zusätzlichen Sauerstoff und gegen den Rat von Medizinern den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt – eine Sensationsleistung in 8848 Metern Höhe, der sogenannten Todeszone. Dass er es bei diesem einen Erfolg nicht beließ, macht sein Bergsteiger- und Abenteurer-Vermächtnis umso außergewöhnlicher – vielleicht gerade durch seine menschliche Seite, die er stets zeigte.

Selbst wenn manche Buchkritiken diese Publikation beinahe zerschmettern, wie etwa in der Frankfurter Rundschau, bleibt das Buch dennoch wertvoll. Messner wurde über Jahrzehnte hinweg mit Verdächtigungen und Anschuldigungen belastet – allen voran der ungeheuerliche Vorwurf, er habe seinen Bruder Günther im Karakorum dem Tod überlassen. Eine Vielzahl an Menschen und Institutionen hat sich auf seinem Rücken ungestraft so einiges erlaubt. Als schließlich die Überreste von Günther Messner gefunden wurden und damit bewiesen war, dass er keineswegs von Reinhold zurückgelassen wurde, machten sich viele Kritiker plötzlich kleinlaut. Ihr abrupter Sinneswandel mutet an wie ein halbherziges "War ja nicht so gemeint" – ein Hohn, wenn man bedenkt, wie sehr Messner über Jahre hinweg darunter gelitten hat.

Dieses Buch ist treffend und aktuell wie eh und je. Wer heute durch den Alltag geht, begegnet täglich ähnlichen stupiden, stumpfsinnigen Menschen und Situationen – sei es im Büro, im Zug oder im Amt. Man sollte nicht verallgemeinern, doch die Mehrheit in unserer Gesellschaft scheint tief unzufrieden mit ihrer eigenen Position zu sein und projiziert gerne ihren Frust auf ihr Gegenüber. Die größte Courage zeigen viele nur noch auf der eigenen Couch oder im Netz, während die Vorstellung, den eigenen Alltag aktiv umzugestalten, jenseits ihres Horizonts liegt.

Messners Buch ist da wie ein spartanischer, doch aufmunternder Wegweiser. Es sollte jedoch nicht in einem Rutsch durchgelesen werden, denn dann wird die Lektüre etwas schwerer wiegen. Nein, sie sollte eher wie ein guter Whisky: in kleinen Schlucken, ab und zu bewusst genossen werden. "Hunde mögen heulen, doch die Karawane zieht weiter".

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Author
Katherine Kant, M.A.
Managing Editor
April 7, 2025

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